Unser Glaube


Was geschah in der Reformation? Was unterscheidet die zwei Strömungen, die sich beide „evangelisch“ nennen? Was ist typisch „evangelisch-reformiert“? Lesen Sie dazu unsere Gedanken:

Reformation und Luther – ein Begriff!

Reformation und Zwingli – kein Begriff?

Stößt man auf den Begriff Reformation, stellt sich unbewusst sogleich eine Assoziation zu Luther ein. Die konfessionelle Bezeichnung „evangelisch-lutherisch“ hat diese gedankliche Einheit nachdrücklich geprägt. „Reformation und Zwingli“ ist hingegen eine weniger enge Gedankenverknüpfung, nicht zuletzt auch durch die von ihren Gründern unabhängige Bezeichnung „evangelisch-reformiert“ für die Anhänger der Reformation Zwinglis und Calvins.

Evangelisch-reformiert

Die Heilige Schrift – Urgrund der reformatorischen Bestrebungen

Die Reformation brachte sowohl durch Luther als auch durch Zwingli grundlegende Veränderungen. Beide, Luther wie Zwingli, führten alle Elemente des kirchlichen Lebens wieder auf ihren Ursprung – auf das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift überliefert ist – zurück. Alles, was in Kirche und Gemeinde geschieht, soll sich auf die Bibel gründen.

Zwingli zog aus dieser Erkenntnis sehr weitreichende Konsequenzen. Er war geradezu radikal in ihrer Umsetzung. Erneuerung der Kirche musste in allen Bereichen – intern wie nach außen ausstrahlend – geschehen: in Lehre und Verkündigung, in allen Formen des Gemeindelebens und im Engagement für die Nöte der Gesellschaft.

Auf der Grundlage der Zwinglischen Reformen und der späteren Reformen durch Calvin, der die reformierte Lehre ausprägte, sind heute noch folgende Schwerpunkte für ein reformiertes Glaubensverständnis bezeichnend:

Gehorsam gegenüber dem Wort

Von großer Bedeutung ist z. B. das Bilderverbot. Es steht im 2. Buch Mose, Kap. 20, ab Vers 4 (ebenso: 5. Mose, 5, 8) im Anschluss an das erste der 10 Gebote und lautet: „Du sollst dir kein Gottesbild machen, noch irgendein Abbild von etwas, was oben im Himmel, was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich nicht niederwerfen vor ihnen und ihnen nicht dienen; …“ (Zürcher Bibel, 2007). Dieses Gebot ist nach reformierter Zählung das zweite der 10 Gebote.

Die Überzeugung, dass in der Kirche allein das Wort zu gelten habe, veranlasste Zwingli seinerzeit, alle Formen der Glaubensausübung, wie sie die katholische Kirche praktizierte, auf den Prüfstand zu stellen. Alles, was nicht biblisch fundiert war, sollte eliminiert werden. In Zürich fand er darin die volle Unterstützung des Rates der Stadt, welcher die Reformen kraft seiner Machtbefugnisse umgehend durchsetzte. So wurden bereits 1524/1525 alle Heiligenbilder aus den Kirchen entfernt, Prozessionen verboten und die Klöster abgeschafft. Sogar auf Orgelspiel und Gemeindegesang im Gottesdienst musste verzichtet werden. All dies barg für Zwingli die Gefahr der Götzenanbetung, der rituellen Verselbstständigung und Sakralisierung in sich, die von der Konzentration auf das Wort Gottes ablenken könnten. (Calvin hingegen führte in seiner französischen Gemeinde in Straßburg um 1539 den Gemeindegesang wieder ein und gab ein kleines Gesangbuch mit 18 Psalmen und 3 Kirchenliedern heraus, darin enthalten sind 7 eigene Psalmnachdichtungen, die er vorhandenen Melodien unterlegte.)

Die allein auf das biblische Wort ausgerichtete Glaubenshaltung Zwinglis prägt bis heute die gottesdienstliche Praxis der Reformierten:

  • Reformierte Gottesdienste sind im Wesentlichen Wortgottesdienste, konzentriert auf das gelesene und gepredigte Wort Gottes, auf Gebet und Choralgesang.
  • Der Kirchraum ist, dem Bilderverbot Rechnung tragend, schlicht gehalten, ohne bildnerische Darstellungen und ohne Altar, er wird nicht als sakraler Raum verstanden.

Die Sakramente als Zeichen des Wortes Gottes

Das Wasser in der Taufe und Brot und Wein im Abendmahl haben nach reformiertem Verständnis keinen eigenen Heilscharakter. Sie sind die sichtbaren Zeichen des Wortes und erfahren keine unter priesterlicher Segnung vollzogene Wandlung zu geweihtem Wasser oder besonderer Speise.

Freiheit und Ordnung

Im Vertrauen auf die befreiende Kraft des Evangeliums definieren die Reformierten alle vom Menschen geschaffenen Ordnungen der Kirche (Kirchenverständnis, Glaubenserkenntnis) – so wichtig sie sind – als zeitlich bedingt und damit wandelbar. Sie sind immer wieder neu am Wort der Heiligen Schrift auszurichten.

Das wird z.B. auch an den Bekenntnisschriften deutlich. Im Unterschied zum unverändert und einzig gültigen Bekenntnisbuch der Lutheraner (Konkordienbuch von 1580) haben die Reformierten eine Fülle von Bekenntnissen, entstanden zu verschiedenen Zeiten an unterschiedlichen Orten. Damit wird deutlich, dass Bekenntnisse nicht als fundamentiertes Prinzip einer Lehre gesehen werden, sondern als Wegweiser des Glaubens in einer konkreten Zeit, an einem konkreten Ort, unter konkreten Bedingungen. Das Schwergewicht liegt nicht auf der Bekenntnisformel – bei der sehr schnell die Gefahr besteht, dass das freie Wort Gottes sich als dogmatische Lehraussage verfestigt – sondern auf dem aktuellen Bekenntnisvollzug, im konkreten Zeugnis vor Ort.

Unterschiede in den Bekenntnissen und in den Ordnungen der Kirchen sind für Reformierte nicht trennend, sondern beleben sich gegenseitig beim Hören, Verstehen und Antworten auf das allen gemeinsam gegebene Wort Gottes. Eine Vielfalt von „Kirche“ ist daher selbstverständlich, ein gemeinsames Wirken in der Ökumene wünschenswert.

Kirche ohne Ämterhierarchie

Für Reformierte gilt, dass Christus allein „das Haupt sei aller Gläubigen, die sein Leib sind“, und „dass wie die leiblichen Glieder ohne Verwalten des Hauptes nichts vermögen, also in dem Leib Christi niemand etwas vermag ohne sein Haupt Christum.“ (Aus: Zwingli, 67 Thesen von 1523). Daraus folgt, dass es unter den Gliedern des Leibes Christi keine hierarchischen Herrschaftsstrukturen geben kann.

Reformierte Gemeinden haben daher keinen Bischof und keine Amtsstelle über sich. Die Gemeinden ordnen ihre Angelegenheiten selbst oder sind zumindest – wie in den Landeskirchen – in den übergeordneten leitenden Gremien mit vertreten. Jeder in der Gemeinde kann zum Dienst berufen werden, z.B. in die durch Calvin definierten Ämter als Prediger, Älteste (Presbyter), Diakone und Lehrer. Sie werden von der Gemeinde zu diesem Dienst beauftragt und nehmen ihn stellvertretend für sie wahr. Dabei hat keines dieser Ämter Vorrang vor dem anderen.

Glaube und Welt – Ecclesia semper reformanda

Von Anfang an gehörten für Reformierte Glaube und Welt zusammen. Sie fanden in Gottes Wort nicht nur individuellen Trost, sondern zugleich auch gesellschaftlichen Auftrag. Wer sich durch den Glauben von Gott gerettet weiß, der wird frei für den Dienst am Nächsten. Es tut der Ehre Gottes Abbruch, wenn seine Schöpfung leidet. Deshalb haben sich reformierte Christen immer wieder für die Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse eingesetzt.

Das alles zieht die Erkenntnis nach sich, dass die Kirche zur ständigen Erneuerung bereit sein muss, um auf Fragen und Probleme ihrer Zeit wegweisend antworten zu können. Reformiertsein ist nichts Starres, sondern ein ständiges Sich-Reformieren, entsprechend von Zeit, Ort und Gegebenheit, gebunden allein an Gottes Wort. „Reformiertsein ist eher eine Haltung und Verhaltensweise als eine Konfession.“ (Hans Helmut Eßer)

Umfassendere Informationen zum Thema „Reformiert“ erhalten Sie über die Internet-Veröffentlichung der „Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Grosse Kirche Emden“: www.reformiert-online.net.

Reformiert in Deutschland

Reformierte Gemeinden in unierten Kirchen

Die reformierten Gemeinden in Deutschland haben drei verschiedene Organisationsstrukturen. Die weitaus größte Zahl gibt es in unierten Kirchen. Diese unierten Kirchen kann man in der Regel schon am Namen erkennen, sie nennen sich „Evangelische Kirche“ ohne den konfessionellen Zusatz „lutherisch“ oder „reformiert“ (z. B. „Evangelische Kirche im Rheinland“). Entstanden sind diese Kirchen meist zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Preußen und anderen Fürstentümern durch Zusammenschluss der reformierten und lutherischen Gemeinden des Landes unter einer gemeinsamen Verwaltung. In ihnen gelten sowohl die lutherischen als auch die reformierten Bekenntnisschriften.

Reformierte Landeskirchen

Neben den reformierten Gemeinden innerhalb von Unionskirchen gibt es weiterhin zwei reformierte Landeskirchen. Die eine ist die „Lippische Landeskirche“ mit Sitz in Detmold, die andere ist die „Evangelisch-reformierte Kirche – Synode der ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland“ mit Sitz in Leer.

Selbstständige Gemeinden

Die dritte Organisationsform ist die der selbstständigen Gemeinden, die sich zum „Bund evangelisch-reformierter Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland“ zusammengeschlossen haben. Zu ihm gehört auch die Dresdner Gemeinde.

Reformierte Gottesdienstordnungen

Grundlage aller Gottesdienstabläufe ist der reguläre wöchentliche Gottesdienst. Sakramentsgottesdienste, Konfirmation, Kinder- und Familiengottesdienste und Ökumenische Gottesdienste haben im Prinzip den gleichen Verlauf, sind aber durch den jeweiligen Schwerpunkt erweitert.
Lesen Sie dazu unsere Anmerkungen:

Reguläre Gottesdienste

„Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matth. 18,20). Im Glauben an diese Verheißung Jesu Christi treffen sich sonn- und feiertags, 10 Uhr, die Gemeindeglieder im Kanonenhof, um miteinander den Gottesdienst zu feiern. Er ist der Mittelpunkt des Gemeindelebens. Hier kann jeder Trost und Zuspruch, Befreiung und Vergebung durch das verkündigte Wort der Heiligen Schrift erfahren und Orientierung für seinen Alltag finden.

Gemäß der Theologie unserer reformierten Glaubensväter Zwingli und Calvin nimmt die Predigt eine zentrale Stellung im gottesdienstlichen Ablauf ein. Den Predigttext kann der Pfarrer frei bestimmen, die Lesungen (alt- und neutestamentlich), Gebete und Lieder sind ihm zugeordnet. Liturgische Wechselgesänge gibt es nicht. Zugunsten des Wortes tritt auch die Musik in den Hintergrund. Sie beschränkt sich im Allgemeinen auf die Umrahmung des Gottesdienstes und auf das gemeinsame Singen der Psalmlieder und Choräle. Nur zu besonderen Anlässen, z.B. an Feiertagen, wird dem Musizieren ein größerer Raum gegeben.

Sakramentsgottesdienste

Taufe und Abendmahl – das sind die zwei Sakramente unseres Glaubens. Die entsprechende Feier wird im Allgemeinen in einen Gottesdienst integriert, damit die versammelte Gemeinde daran Anteil haben kann.

Für die Taufe gibt es keine Alterseingrenzung, sowohl Kinder als auch Erwachsene können sie empfangen. Auch der dafür vorgesehene Zeitpunkt im Kirchenjahr ist nicht feststehend, wie es z.B. bei der Konfirmation der Fall ist, sondern jeder Tag kann zum Tauftag werden.

Abendmahlsfeiern finden zu besonderen Anlässen statt: in der Regel zu Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osterzeit, zu Pfingsten und zum Erntedankfest, am Ewigkeitssonntag und in der Weihnachtszeit. Ausgeteilt werden Brot und Wein (bzw. Saft) in Einzelkelchen. Kinder dürfen mit an den Tisch kommen, sie empfangen die durch den Pfarrer gereichten Gaben über die Eltern oder Paten.

Was sind Sakramente?

So lautet auch die Frage 66 des Heidelberger Katechismus, der Lehr- und Bekenntnisschrift der Reformierten seit dem 16. Jahrhundert. Die Antwort: „Es sind sichtbare heilige Wahrzeichen und Siegel. Gott hat sie eingesetzt, um uns durch ihren Gebrauch den Zuspruch des Evangeliums besser verständlich zu machen und zu versiegeln: dass er uns auf Grund des einmaligen Opfers Christi, am Kreuz vollbracht, Vergebung der Sünden und ewiges Leben aus Gnade schenkt.“

Zur Taufe erklärt der Heidelberger Katechismus (Frage 69): „Christus hat dieses äußerliche Wasserbad eingesetzt und dabei verheißen, dass ich so gewiss mit seinem Blut und Geist von der Unreinigkeit meiner Seele, das ist von allen meinen Sünden, reingewaschen bin, wie ich äußerlich durch das Wasser gereinigt werde, das die Unsauberkeit des Leibes hinwegnimmt.“

Zum Abendmahl wird bekannt (Frage 75): „Christus hat mir und allen Gläubigen befohlen, zu seinem Gedächtnis von dem gebrochenen Brot zu essen und von dem Kelch zu trinken. Dabei hat er verheißen: Erstens, dass sein Leib so gewiss am Kreuz geopfert und gebrochen und sein Blut für mich vergossen ist, wie ich mit Augen sehe, dass das Brot des Herrn mir gebrochen und der Kelch mir gegeben wird. Zweitens, dass er selbst meine Seele mit seinem gekreuzigten Leib und vergossenen Blut so gewiss zum ewigen Leben speist und tränkt, wie ich aus der Hand des Dieners empfange und leiblich genieße das Brot und den Kelch des Herrn, welche mir als gewisse Wahrzeichen des Leibes und Blutes Christi gegeben werden.“

Sakramente haben nach reformiertem Verständnis keine Heilswirkung in sich, sondern sind äußerliche Zeichen für das bereits am Menschen geschehene Heil durch Christus. Sie dienen der Vergewisserung des Heils für den Einzelnen.

Konfirmation

In der Konfirmation bekennt sich der Jugendliche vor der versammelten Gemeinde in eigener, freier Entscheidung zu seiner Taufe und zu einem Leben in christlicher Verantwortlichkeit. Da zur Zeit nur wenige Jugendliche der Gemeinde angehören, findet die Konfirmation aller zwei Jahre statt, jeweils am ersten Pfingstfeiertag.

Kinder- und Familiengottesdienste

Auch die Jüngsten sollen sich in der Gemeinde wohlfühlen. An jedem letzten Sonntag im Monat findet der Familiengottesdienst statt, oft mit einem kleinen Anspiel zum Predigtthema. Mit viel Einfühlung in den kindlichen Gedankengang und in ihrer Anschaulichkeit für die Erwachsenen zum Schmunzeln sind die Texte erfunden und phantasiereich in Szene gesetzt. Dabei agieren auch die Kleinen munter mit. Anschließend ziehen alle in einen anderen Raum und malen oder basteln etwas zu dem Aufgeführten, und die Erwachsenen können sich in Ruhe die Predigt anhören.

Ökumenische Gottesdienste

Zweimal im Jahr finden Gottesdienste im Rahmen ökumenischer Begegnungen statt: am Weltgebetstag der Frauen und zum Abschluss der Friedensdekade am Bußtag. Beteiligt sind reformierte, lutherische und katholische Gemeindeglieder und Pfarrer der Dresdner Innenstadtkirchen. Der Gottesdienst wird gemeinsam vorbereitet und von den Predigern der beteiligten Gemeinden mit „verteilten Rollen“ durchgeführt. Das Verbindende im Glauben an unseren Herrn Jesus Christus lässt uns die Verschiedenheiten der Glaubensauffassungen und –formen in gegenseitiger Akzeptanz tolerieren.

Weitere Informationen zum Heidelberger Katechismus